Ein Kuss zwischen zwei Welten. Das Kunstwerk Atala von Innocenzo Fraccaroli

Ausstellung

Die Ausstellung, die von Roberto Pancheri kuratiert wurde, befindet sich im kleinen Turm des Schlosses, das einst die Bibliothek von Castel Thun beherbergte, möchte einen Schwerpunkt auf eine der wertvollsten profanen Skulpturen legen, welche im 19. Jahrhundert ins Trentino kamen, Es handelt sich um die Skulpturengruppe von Atala und Chactas von Innocenzo Fraccaroli (Castelrotto di Valpolicella 1805 - Mailand 1882): einer der verführerischsten „Küsse“ des italienischen 19. Jahrhunderts, der sich problemlos neben die romantische Ikone von Francesco Hayez einreiht, die in diesen Jahren geschaffen wurde.

Das Werk wurde im Jahre 2011 von der Autonomen Provinz Trient erworben und stammt aus der Sammlung des Barons Salvotti de Bindis von Mori, wo es seit 1928 dokumentiert ist.

Es wurde wahrscheinlich von Richter Antonio Salvotti (Mori 1789 - Trento 1866) in Auftrag gegeben, umstrittener Protagonist der politischen und institutionellen Geschichte des Königreichs Lombard-Venetien, sowie raffinierter Kunstsammler: eine Leidenschaft, die er mit seiner Ehefrau, der akademischen Malerin Anna  de Fratnich (Triest 1789 - Mailand 1837) teilte. Eine Persönlichkeit, welche Fraccaroli in einer  Marmorbüste im Jahre 1837 porträtierte und  signierte und  heute noch in einer Privatsammlung im Trentino aufbewahrt wird.

Das Thema der Skulptur stammt aus einem der erfolgreichsten Romane des 19. Jahrhunderts, Atala ou les amours de deux sauvages dans le désert von François-René de Chateaubriand.

Das Buch wurde in Paris im Jahre  1801 veröffentlicht und  wurde sofort in die wichtigsten europäischen Sprachen übersetzt und in ganz Europa immer wieder neu aufgelegt, bis es zu einem Klassiker der französischen Literatur sowie zu einer der Inkunabeln der romantischen Literatur wurde.

Inspiriert vom Rousseauschen Mythos des „guten Wilden“ erzählt der Roman von der leidenschaftlichen und tragischen Liebe zweier junger Indianer, Atala und Chactas. Nachdem sie zusammen in den Wald geflohen sind, fühlen sich  beide  natürlich angezogen, sind aber durch die religiöse Moral gespalten: Chactas ist tatsächlich Heide, während Atala Christin ist.

Um ein auf dem Sterbebett ihrer Mutter abgelegtes Keuschheitsgelübde nicht zu verletzen und aus Angst, einer Leidenschaft, die sie für sündhaft hält, nicht zu widerstehen, nimmt Atala genau in dem Moment, in dem ihre erste Vereinigung stattfinden soll, Gift. Die Geschichte – welche die exotische Umgebung in den Wäldern der Louisiana mit dem Pathetischen der Geschichte verbindet – hatte eine großen Erfolg in der figurativen Kunst, beginnend mit dem berühmten Gemälde von Girodet-Trioson, welches Das Begräbnis der Atala darstellt und im Pariser Salon im Jahre 1808 präsentiert wurde und heute im Louvre aufbewahrt ist.

Fraccarolis Gruppe ist zweifellos die erfolgreichste künstlerische Interpretation des Themas eines italienischen Künstlers.

Als Erbe des Klassizismus von Canova und gleichzeitig Interpret der neuen romantischen Sensibilität experimentierte der Künstler aus Verona mit dem Thema Atala seit 1846; das Jahr in welchem die erste Version der Statue in der Brera Akademie ausgestellt wurde, einen sehr großen Erfolg hatte und begeisterte Kritiken bekam.

Das Salvotti-Exemplar – die einzige bisher nachgewiesene Marmorzeichnung – trägt die Signatur und das Datum von 1853 und kann mit der handsignierten Replik identifiziert werden, welche in den Jahren 1855 und 1867 zu den Weltausstellungen in Paris geschickt wurde.

Neben den Porträts von Chateaubriand und Richter Antonio Salvotti kann man auch verschiedene Foto- und Buchmaterialien in Bezug auf die Statue und ihre literarischen Quellen bewundern, darunter einige Ausgaben der Werke Atala und der Genie des Christentums aus dem 19. Jahrhundert, das programmatischste  Werk des französischen Schriftstellers.  Besonders bemerkenswert ist die von Gustave Doré illustrierte Mailänder Ausgabe von 1887.

 

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