"Crali. Futuristische Zeugenaussagen": Die dynamische und synoptische Deklamation

Einige Modeentwürfe und Theaterskizzen vom Künstler zu Beginn der dreißiger Jahre, sind im Haus der futuristischen Kunst Depero in Rovereto ausgestellt.

In der Ausstellung Crali. Futuristische Zeugenaussagen werden einige  Modeentwürfe und Theaterskizzen vom Künstler zu Beginn der dreißiger Jahre ausgestellt. Um dies zu realisieren, inspirierte sich Crali an den Manifesten von Volt (1920) und Prampolini (1924). Crali wurde vom Futurismus im Jahre 1929, im Alter von 20 Jahren, überzeugt. Um seinen authentischen futuristischen Glauben zu legitimieren folgte er gewissenhaft den Vorschriften und Lehre der Manifeste. Die tiefe Beziehung zu Marinetti, - vor allem in den letzten Jahren seines Lebens – erkennen ihm  die Rolle des Deklamators an, bis  Crali in manchen Vorstellungen sogar den Autor  ersetzt.

In der Ausstellung kann man die Aufführung des Zang Tumb Tuum sehen – der Titel des Buches ist der Schlacht von Adrianopel gewidmet, geschrieben im Jahre 1914  von Marinetti. Dieser inspirierte sich am Ersten Balkankrieg, welchen der Dichter als Korrespondent erlebte. In diesem Gedicht herrscht die Idee des Krieges wie ein Fest, als Ausdruck höchster Vitalität, welchem Crali den richtigen Wert gibt.

Auch in dieser Bezeugung  bezieht sich Crali auf die dynamische und synoptische Deklamation  vom 11. März 1916, in welcher  Filippo Tommaso Marinetti, welcher darauf wartet an die Front zurückzukehren, öffnet das Manifest und diktiert die Regeln für den perfekten futuristischen Deklamator, welcher  dieses befolgen muss:

1.  ein anonymes Kleid anziehen  (Abends noch Möglich  einen Smoking), alle Kleider vermeiden, welche ein   spezielles Milieu vorschlagen. Keine   Blume im Knopfloch und keine Handschuhe.

2 Eine unmenschliche Stimme annehmen, indem man aus ihr systematisch jede Nuance oder Modulation entfernt.

3. Ein unmenschliches Gesicht annehmen, jede Grimasse und  jeden Augeneffekt vermeiden.

4. Die Stimme metallisieren, verflüssigen, versteinern und elektrisieren,  indem man sie mit denselben Schwingungen der Materie verschmilzt und die Worte durch Freiheit ausdrückt.

5. Eine geometrische Gestik haben, indem man den Armen eine schneidende Steifheit gibt, wie Ampeln und Lichterstrahlen, um  die Direktion  der Kräfte zu weisen, oder der Kolben und Räder   um den Tatendrang  der freien Worte zu erfassen.

6. Eine planmäßige und topographische Gestik haben, welche  in der Luft synthetische Würfel, Kugeln, Spiralen, Ellipsen usw.  schaffen.

7. Eine bestimmte Menge  einfacher Werkzeuge benützen, wie: Hammer, Holztafeln, Autotrompeten, Tamburine, Sägen, elektrische Klingeln, um in einer simplen und genauen Weise die einfachen oder abstrakten  Lautmalereien oder  Akkorde zu produzieren.

Diese verschiedenen Werkzeuge können in einer bestimmten orchestralsichen Anhäufung  freiheitliche Wörter  wiedergeben, welche von einem  speziellen Interpret erklärt werden.

8. Bedient man sich eines anderen Deklamators, egal ob seine Stimme gemischt, oder gewechselt wird.

9. Bewegt man sich in verschiedenen Punkten des Raumes, mit mehr oder weniger Geschwindigkeit, laufen oder langsam gehen, damit die Bewegung des Körpers zusammen mit der Streuung des freien Wortes zusammenklingt. Jeder Teil des Gedichtes hat somit sein  besonderes Licht  und Publikum. Obwohl man magnetisch den Deklamatoren folgt, leidet in keiner Weise die lyrische Kraft, sondern es trägt dazu bei, sich in verschiedenen Punkten des Raumes umzusehen, welcher die Dynamik der Futuristischen Poesie mitteilt.

10. Die Deklamation zu vervollkommnen mit 2, 3 oder 4 Tafeln in verschiedenen Teilen des Raumes angeordnet, auf welchen sehr schnell Lehrsätze, Gleichungen und  Übersichte    lyrischer Werte aufgezeichnet werden.

11. Es muss ein Erfinder und unermüdlicher Schöpfer in seiner Deklamation sein:

a) instinktiv muss er zu jedem Zeitpunkt  die Stelle entscheiden, in welcher  sich   Adjektivton und  Adjektivatmosphäre ausgesprochen und wiederholt werden müssen. Es handelt sich um keine  freien Wörter, keine genaue Angabe, man sollte  nur den eigenen Instinkt folgen und sich nur um die Erreichung der höchsten  geometrischen Herrlichkeit und die maximale Zahl der Empfindlichkeit zu erreichen. Somit arbeitet man mit dem Autor der freien Wörter zusammen, da er  intuitiv neue Gesetze wirft und neue, unerwartete Horizonte in den freien Worten, welche er vorspielt, schöpft.

b) Er erklärt und definiert mit der Kälte eines Ingenieurs oder eines Mechanikers, die Übersichtstabellen und die Gleichungen der lyrischen Werte, welche einige Hellzonen – fast geografischen (zwischen den  dunkelsten und komplizierten Worte in Freiheit )  – und den  temporären Verbindungen  an das Verständnis des Lesers.

c)  Er imitiert in allem die Motoren und ihre Rhythmen (ohne sich Gedanken über ein Verständnis zu machen) und deklamiert diese dunkleren und komplexen Seiten, vor allem alle die lautmalende Akkorde.

Nicoletta Boschiero - Verantwortlich für das Haus der futuristischen Kunst Depero und Kuratorin der Ausstellung

12.03.2015